“So jung kommen wir nicht mehr zusammen” — auch diese Woche schauen wir auf drei alte Helden, die wir nur noch für ganz kurze Zeit auf der Höhe ihrer Schaffenskraft bewundern dürfen. Wie letztes Mal mit drei neuen Illustrationen und drei neuen TV-Tipps.
Abschiedstour, Teil 1: Mit Puyol, Scholes und Drogba
Abschiedstour, Teil 2: Raul, Lampard und Giggs
Abschiedstour, Teil 3: Del Piero, Klose und Ballack

Quo vadis, Raúl? Club Nr. 3 nach 16 Jahren Real Madrid und 2 Jahren Schalke ist noch unklar. Illustration: Herr Wagner
Raúl Gonzáles Blanco (34), FC Schalke 04 (noch!)
Eigentlich hat er dieses Jahr gezeigt, dass er noch nicht zum alten Eisen gehört: Raúl González Blanco, sechsfacher spanischer Meister, dreifacher Champions-League-Sieger und bis heute Rekordtorschütze der Königsklasse.
Mal um Mal hat er beweisen wollen, dass mit ihm immer noch zu rechnen ist. In der Europa League, mit seinen beiden Toren gegen die brillanten Basken aus Bilbao. Mit seinem Doppelpack gegen Hannover in der Liga, kaum 10 Tage später — insbesondere mit dem zweiten dieser beiden Tore, dem vielleicht feinsten Kabinettstückchen dieser Bundesliga-Saison. Mit dem linker Sohle am Torwart vorbeigestreichelt, mit dem rechten eingeschoben; ein ekstatischer Kommentator, ein orgastisches Stadion: es gab viele solcher Momente in der illustren Karriere des gebürtigen Madrilenen.
Aber der Zahn der Zeit, er lässt auch den Mann mit dem epochalen Namen nicht in Ruhe. Raúl hatte nix zu melden im Rückspiel gegen die Basken, Doppelbelastung und alles. Im fanatisch geführten Revierderby wirkte er überfordert, ein alter Recke, der sich ein kleines Bisschen mehr Ruhe und Ordnung wünscht. Auch im Hinspiel gegen die Dortmunder oder der Niederlage in Gladbach war wenig von ihm zu sehen – wann immer seine Gegner das Spiel zu schnell machten, musste er passen. Nicht mehr gut genug also gegen schnelle Spitzenmannschaften — gleichzeitig immer noch ein viel zu feiner Fußballer, um auf der Bank zu schmoren.
Wo er hingeht ist unklar. Das man ihn nochmal sehen sollte hingegen klar.
DER TV-TIPP: Der 34. Spieltag. Schalke gegen Bremen. Bremen ist wirr genug in der Abwehr, um Raul den nötigen Platz zu geben. Wir erwarten eine Vorlage und mindestens 1 Lupfertor, dass den Schalkern Platz 3 und damit den direkten Einzug in die Champions League sichert.

Für den FC Chelsea ein Fußballgott, für England ein Leistungsträger, international ohne klares Profil: Frank Lampard. Illustration: Herr Wagner nach einem Foto von Aleksandr Mysyakin
Frank Lampard (33), Chelsea London
Frank Lampard ist eine der Ikonen der Premier League und des FC Chelsea. Ein gerade im Ausland oft unbesungener Held, weil er nicht die gleichen exzentrischen Dribbelkünste besitzt oder ähnlich spektakuläre Aktionen in sein Spiel einbaut, wie andere Kollegen das können und tun. Lampard ist offensiver Mittelfeldspieler, einer der dieser Position seine ganz eigenen Stärken eingeimpft hat. Er hat sich auch nachdem Roman Abramovich Chelsea übernahm und die Mannschaft mit Irrsinnssummen aufpeppte auf dieser enorm wichtigen Position nicht nur etabliert, sondern sich zu einem ihrer wichtigsten Köpfe entwickelt. Von seinem Debüt an, stellte er den Rekord von 164 Premier League Einsätzen in Folge auf – umso beeindruckender in der Hauruck-Welt von Abramovich.
Lampard ist keiner für den Fast-Food-Fußballkonsumenten. Seine Highlights sind nicht vergleichbar mit denen von Messi, Ronaldo, oder Ricardo Quaresma. Er ist ein Stratege, der seines Gleichen sucht, was Einfluss und Torgefahr angeht. Er hat mit 150 Toren die meisten aller Mittelfeldspieler der Premier League Geschichte geschossen. Seine stärkste Saison spielte er 09/10, als er allein in der Liga 22 Tore und 17 Vorlagen erzielte. Den Statistikgurus OPTA zufolge ist er der beste Premierleague Spieler der letzten Dekade, seinem Vater zufolge kein “crash, bang, wallop” Spieler. Was ihn immer in den Schatten seiner gehypten, in orangen, gelben, oder rosafarbenen Tretern auflaufenden Konkurrenten gestellt hat, war die etwas träge Dynamik und eine offensichtliche Abneigung gegen Showeinlagen.
Da gerade die Dynamik im Alter leidet, wirkt Lampard auf dem Platz mittlerweile teilweise wie ein veralteter roter Londoner Linienbus auf Straßen, die mit jeder Menge Motorrädern und Sportwagen gefüllt sind. Seine Übersicht aber bleibt brutal gut und er ist in der Lage blitzschnell umzuschalten – wie in beeindruckender Form bei Chelseas Tor gegen die Übermannschaft des FC Barcelona, welches zum Überraschungssieg im Hinspiel des Championsleague Halbfinalhinspiel führte, zu sehen war. Er war es, der dem Überspieler Messi den Ball abluchste und direkt den öffnenden Flankenwechsel in den Lauf von Ramires schlug. Auch im Rückspiel, war es sein Zauberpass, der die Abwehr Barcelonas teilte, wie Moses das Rote Meer.
Und damit wären wir auch bei dem Anderen, was ihm vielleicht noch fehlt um wirklich in das Pantheon der ganz Großen eingerechnet zu werden: ein internationaler Titel. Lampards größte professionelle Tragödie, wie die des gesamten Chelsea Teams, ist die Niederlage im Champions League Finale 2008, in dem er es war, der das Tor für Chelsea schoss. Unter Villas-Boas zum alten Eisen gerechnet, unter Di Matteo wieder reaktiviert, hängt für ihn viel davon ab, wer nächstes Jahr Trainer beim FC Chelsea ist. Diese Saison kann Frank Lampard Jr. es aber nochmal allen zeigen. Wer etwas über Timing, kluges Passspiel und das Bestimmen von Tempo im Fußball lernen will, sollte jetzt hinschauen. Viele Chancen wird es unter Umständen nicht mehr geben.
DER TV-TIPP: Müssen wir euch das wirklich sagen? Das größte Spiel des europäischen Vereinsfußballs. Lampard wird versuchen seine Karriere auf die alten Tage mit dem Champions League Titel zu krönen. Er steht am 19. Mai im Finale gegen die Bayern in München. Wer nicht so lange warten will, schaut am 5. Mai das Englische Pokalfinale seines FC Chelsea gegen den FC Liverpool.

Der Rekordhalter in rot: Ryan Giggs. Illustration: Herr Wagner nach einem Foto von Gordon Flood
Ryan Giggs (38), Manchester United
Der ewige Giggs. Noch nie hat es einen Spieler gegeben, der derart lange die Geschicke eines der größten und erfolgreichsten Vereine Europas über eine so lange Zeit mitbestimmt hat, wie der schmächtige Waliser. 12 Meisterschaften, vier Pokalsiege, drei Ligapokale und zwei Champions League Titel hat er bis jetzt gesammelt und ist damit der erfolgreichste Spieler der englischen Fußballgeschichte.
Giggs war der Erste von Fergies Fledglings – der Generation von Jungschnäbeln von Manchester United, die den englischen Fußball jahrelang dominierten. Und er überdauerte sie alle. Einzig der im Januar aus dem Ruhestand reaktivierte Paul Scholes, der sein Debüt drei Jahre nach Giggs gab, zeigt ebenfalls noch seine Klasse für den Traditionsklub.
Giggs begann seine Karriere mit 17 Jahren auf dem linken Flügel der Red Devils und schon bald erzitterte die Liga vor seiner enormen Schnelligkeit und seinen gefährlichen Dribblings. Wenn er einmal Fahrt aufgenommen hatte, war er nicht mehr zu stoppen. Er lebte von seiner Dynamik. Nachdem er über eine Dekade lang die Außenbahnen der Premier League beherrscht hatte, verlor Giggs mit zunehmendem Alter seine Schnelligkeit und damit seine größte Stärke. Weil es so schien als ob seine Dominanz weitestgehend auf ihr aufgebaut war, begann man auf der Insel bereits mit dem Schreiben der Huldigungen zum Abschied eines der besten Flügelspieler aller Zeiten. Doch Giggs war Anfang 30 und er hatte andere Pläne.
Wie kein Zweiter verstand er es sein Spiel den neuen Gegebenheiten anzupassen. Er stellte sein Spiel komplett um und entwickelte sich vom offensiven Dribbelkünstler an der Außenlinie, zu einem spielgestaltenden Sechser. Wo ehemals pure Dynamik war, ist jetzt eine unglaubliche Ruhe und Abgeklärtheit am Ball. Wo er seinen Gegenspielern ehemals mit bloßer Geschwindigkeit entwischte, ist er jetzt einer der Spieler, die mit überragendem Positionsspiel immer Raum und Zeit auf dem Feld finden, um dem Spiel ihren Stempel aufzudrücken..
Was nicht nachließ war seine Kreativität, sein Einfluss auf das Spiel steigerte sich sogar noch und seine Torgefahr behielt er ebenfalls. Giggs hat unglaublicherweise in jeder seiner bereits 22 Saisons dauernden Karriere mindestens ein Tor in der Liga erziehlt. In der Champions League ist er ebenfalls der Rekordhalter mit Toren in 11 aufeinanderfolgenden Saisons. Aber er ist kein Egozentriker, der dauernd den Abschluss sucht. Ganz im Gegenteil wurde ihm lange sein Abschluss als einzige wirkliche Schwäche angekreidet. Giggs ist vielmehr ein Vorbereiter. Nein. Nicht ein Vorbereiter, sondern DER Vorbereiter. Niemand hat mehr Tore aufgelegt als er – 271 sind es alleine in der Liga.
Sein Spielverständnis und seine Eleganz sind kaum zu überbieten. In der Welt des modernen Hochgeschwindigkeitsfußballs ist er ein ruhender Pol, der sich vom Gegner einfach nicht unter Druck setzen lässt. Giggs wird ein weiteres Jahr spielen, seinen Vertrag hat er bereits für die nächste Saison verlängert und doch besteht immer die Möglichkeit, dass er von einem nachrückenden Spieler oder einem großen Transfer aus der Mannschaft gedrängt wird. Viele haben es während seiner langen Karriere versucht, niemandem ist es gelungen.
DER TV-TIPP: Giggs im Hexenkessel von Manchester City beim direkten Duell um die englische Meisterschaft. Das größte Spiel des diesjährigen Premier League Kalenders steigt bereits am kommenden Montag und wird von uns selbstverständlich live getickert.
Teil 3 der Abschiedstour mit drei neuen Helden, drei neuen Illustrationen und drei neuen neuen TV-Tipps erscheint kommenden Freitag.
Und wenn ihr es verpasst habt: Hier geht’s zu Teil 1: Mit Puyol, Scholes und Drogba